ESG-Risiken als Bestandteil des holistischen Risk Managements

Die Faktoren Umwelt, Soziales und Unternehmensführung haben mit schrittweise in Kraft tretenden ESG-Verordnungen ihren Plüschcharakter verloren. Wie nachhaltig eine Firma agiert, beeinflusst die Unternehmensbewertung und entscheidet über ihre Wettbewerbsfähigkeit. Im Vorteil ist, wer sich jetzt richtig aufstellt.

Dieser Artikel erschien zuerst im Existenz Magazin.

Von der CO2-Bilanz eines Logistikkonzerns bis zum Gesundheitsschutz von Arbeitnehmern eines Produktionsbetriebs: In der öffentlichen Debatte, unter Verbrauchern und bei Investoren spielen die sozialen und ökologischen Auswirkungen unternehmerischen Handelns schon seit einigen Jahren eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die ESG-Verordnungen der EU mit ihren gesetzlich bindenden Vorgaben zu „Environmental Social Governance“ sowie das in Deutschland ab 2023 geltende Lieferkettengesetz verstärken jedoch den Handlungsdruck. Unternehmen dürfen ihre Maßnahmen für nachhaltiges Wirtschaften nicht mehr einzig werbewirksam auf Websites setzen oder auf Etiketten drucken. Sie müssen feste Kriterien erfüllen, über sie Zeugnis ablegen – und sich an ihnen messen und bewerten lassen.

ESG-Risiken
Typische ESG-Kriterien, nach denen Unternehmen ihre Nachhaltigkeit planen und verbessern sollten (Beispiele).

Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung belegen

Seit 2018 bereits informieren große börsennotierte Unternehmen, Banken und Versicherungsunternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden jährlich in ihrer nichtfinanziellen Erklärung, wie ihr Haus sich hinsichtlich Umwelt, Sozialem und Unternehmensführung aufstellt. Sie legen beispielsweise ihren Wasserverbrauch transparent dar. Oder sie erklären, wie sie für die Wahrung von Arbeitnehmerrechten Sorge tragen. Seit Frühjahr 2021 treten nun schrittweise neue ESG-Verordnungen der EU – etwa die Offenlegungs-VO – in Kraft und vergrößern den Kreis berichtspflichtiger Unternehmen deutlich. Viele Firmen stehen damit vor der Herausforderung, die Nachhaltigkeitsrisiken nach Maßgabe der ESG-Kriterien in die bestehende Unternehmensstrategie zu integrieren.

Parallelen zu diesem Prozess lassen sich beispielsweise bei der Umstellung des Transparenzregisters vom Auffangregister zum Vollregister erkennen. Auch diese Regelung verpflichtet im ersten Zug die größeren Unternehmen, die Anforderungen fristgerecht zum 31. März 2022 zu erfüllen. Ihnen folgen die kleineren Unternehmen, denen noch bis zum 30. Juni bzw. 31. Dezember 2022 Zeit bleibt. Können sie die Frist nicht halten, drohen empfindliche Geldbußen.

Risiken ganzheitlich und proaktiv anpacken

Ähnlich verhält es sich bei der Nicht-Einhaltung der ESG-Regulierungen. Vernachlässigen Unternehmen ihre Pflichten, müssen sie ebenfalls mit Geldstrafen rechnen. Große börsennotierte Unternehmen, Banken sowie Versicherungsunternehmen beschäftigen sich daher längst sehr intensiv damit, wie sie die ESG-Kriterien umsetzen und entstehende Risiken integrieren. Sie agieren jedoch nicht im luftleeren Raum – und so bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen die ESG-Regeln auf ihre Lieferanten, Kunden und Geschäftspartner haben werden. Wird der ohnehin hohe Druck auf die Lieferanten weiter steigen?

Immerhin: Das Thema ESG gewinnt zunehmend an Prominenz – schließlich wird sich über kurz oder lang jedes Unternehmen mit den Vorgaben auseinandersetzen müssen. Versicherungen und Banken etwa werden die Geschäftsmodelle der von ihnen finanzierten oder versicherten Unternehmen nach deren Nachhaltigkeits- und Ethikstandards beurteilen und bepreisen müssen. Daraus folgt auch: Nachhaltigkeit kann sich für die Unternehmen in barer Münze auszahlen – durch eine geringere Prämie und niedrigere Zinsen. Für uns ist auch vorstellbar, dass der Absatz der Produkte künftig über ESG-Kriterien wie den CO2-Ausstoß gesteuert wird. Für das umweltfreundliche E-Auto erhalten Käufer dann grundsätzlich eine bessere Finanzierung. Die zahlreichen Nachhaltigkeitsfonds suchen Anlagemöglichkeiten.

Für die Zukunft richtig aufgestellt

Immer ausgefeiltere Lösungen werden Unternehmen künftig dabei helfen, ihre Maßnahmen zu planen, zu erfassen, zu messen und zu belegen. Und viele von ihnen wollen diese Anforderungen ernst nehmen: Wir erhalten bereits seit einiger Zeit zahlreiche Anfragen aus unterschiedlichen Branchen zur Integration der ESG-Risiken in ein Enterprise Risk Management (ERM). Die Unternehmen wollen die neuen gesetzlichen Anforderungen in ein ganzheitliches und unternehmensweit gestaltetes Risikomanagement einbetten. Mit diesem proaktiven Vorgehen lassen sich die entsprechenden Ziele fokussierter und effektiver erreichen, drohende Risiken früher erkennen und vermeiden und Entscheidungen schneller und fundierter treffen. Gleichzeitig gelingt es mit Transparenz und dank messbarer Kennziffern auch, die Unternehmensbewertung positiv zu beeinflussen. Und diese wiederum ist die Basis jeder geschäftlichen Zusammenarbeit. Wer solide Zahlen vorlegen kann, zieht häufiger am Wettbewerb vorbei.

Unsere Gespräche mit den Unternehmen verdeutlichen die Tragweite und Relevanz der ESG-Risiken. Und sie zeigen uns, dass Unternehmen sich den Pflichten stellen wollen. Wer sich frühzeitig mit den ESG-Vorschriften auseinandersetzt – und sie dann bewusst nach dem holistischen Ansatz verwirklicht –, trägt nicht nur zu einer nachhaltigeren Wirtschaft bei, sondern stärkt die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit seines Unternehmens.

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